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Im Erler Norden hat ein Stabwechsel stattgefunden. Der langjährige SPD-Stadtverordnete Dieter Gebhard kandidiert nicht wieder für den Rat der Stadt Gelsenkirchen. In seine Fußstapfen soll Ezzedine Zerria treten, der seit zwei Jahren bereits Vorsitzender des SPD Ortsvereins Erle-Nord ist.
Mit der Wahl zum Präsidenten der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe (LWL) hat Dieter Gebhard als Abgeordneter der Stadt Gelsenkirchen seit 10 Jahren das höchste politische Amt inne, in das ein ehrenamtlich tätiger Kommunalpolitiker in NRW gewählt werden kann. Der Weg dahin führte über sein Engagement im Erler Norden. In einem Vortrag beim Rotary Club in Münster beschreibt er seine politische Entwicklung. Lesen Sie selbst …
Ich bin verheiratet – habe 4 erwachsene Kinder und wohne in Gelsenkirchen.
Bis zu meiner Pensionierung 2015 war ich Studiendirektor an einem Gymnasium.
Seit 45 Jahren habe ich kommunalpolitische Mandate und mache ehrenamtlich Politik.
Anfang September 2019 sprach mich Herr Schulte-Uebbing darauf an, ob ich generell bereit sei, dem Rotary-Club Münster-Westfalen im Rahmen eines ca. 20 minütigen Vortrages meine persönliche Motivation zu meinen – ich zitiere wörtlich aus seiner Mail – „bemerkenswerten politischen Aktivitäten, insbesondere beim LWL, vorzustellen“ – Zitat Ende.
Ich sagte natürlich spontan zu.
Einerseits machte mich die Anfrage etwas stolz, sprach doch eine positive Würdigung meiner politischen Arbeit daraus, was man nicht alle Tage hört und einem schmeichelt.
Und wer bekommt schon die Gelegenheit in einem Club zu sprechen, in dem Professor Boerne – vermute ich – Ehrenmitglied ist.
Andererseits habe ich bereits weit über 100 Einladungen von Vereinen, Verbänden, Gewerkschaften, in Schmallenberg z.B. vom Lions Club, angenommen, um über meine Arbeit beim LWL zu berichten. Dann laufe ich mit einem ausführlichen Power Point Vortrag auf und informiere umfassend darüber, was der LWL eigentlich ist, was er so treibt, was meine Aufgabe – früher als Fraktionsvorsitzender – war bzw. heute – als Vorsitzender der Landschaftsversammlung – ist.
Den üblichen POWER POINT VORTRAG habe ich heute nicht dabei, denn ich soll nicht vortragen, was der LWL im Einzelnen macht, und das mit schönen Bildchen und Tabellen garnieren. In seiner letzten Mail an mich wies Herr Schulte-Uebbing darauf hin, dass die Präsidentin Frau Venneberg ihr rotarisches Jahr unter das Thema „Motivation – Inspiration – Erfüllung“ gestellt habe und er mir vorschlage, zu
„Lob und Schelte – Freude am politischen Amt heute“
zu sprechen. Ich folge dem Vorschlag und habe mir vorgenommen, Ihnen zu vermitteln, warum ich Freude an der politischen Arbeit und insbesondere an der politischen Arbeit beim Landschaftsverband habe.
Was macht die politische Arbeit beim Landschaftsverband interessant ?
Ich möchte voraus schicken, dass ich seit 1975 in Gelsenkirchen als Sozialdemokrat ein kommunalpolitisches Mandat habe, erst in der Bezirksvertretung GE-Ost, seit 1979 im Rat der Stadt.
Seit 1984 bin ich Abgeordneter der Stadt Gelsenkirchen beim LWL, mittlerweise also seit 7 Wahlperioden – die 1. Periode als bloßes Mitglied der Landschaftsversammlung, die nächste als stellvertr. Fraktionsvorsitzender, anschließend 15 Jahre lang als Fraktionsvorsitzender und seit 2010 als Vorsitzender des Präsidiums des sog. WESTFALENPARLAMENTES mit seinen z.Z. 116 Mitgliedern aus den 9 kreisfreien Städten und 18 Kreisen der Region Westfalen-Lippe.
Der LWL ist als Kommunalverband Teil der kommunalen Familie und erfüllt die kommunalen Aufgaben, die die Mitgliedskörperschaften nicht oder nur schwer allein leisten können.
Bei 8,3 Mio. Einwohnern ist er mit 17.000 Beschäftigten der drittgrößte kommunale Arbeitgeber in NRW. Er betreibt in der Region rund 200Einrichtungen, darunter 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 19 Museen, 6 forensische Kliniken.
Der Kernhaushalt beträgt 3,55 Milliarden Euro.
Mit den Mitteln unserer Eigenbetriebe und den verwalteten Mitteln des Bundes und des Landes NRW verantwortet der LWL rund 6,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Diese beeindruckenden Zahlen machen den LWL schon per se interessant, finde ich, denn damit wird viel bewegt. Wir unternehmen (viel) Gutes!
Fast 90 Prozent des LWL-Haushalts fließen in soziale Leistungen, insbesondere in die Behindertenhilfe.
So kommt es, dass außen zwar zum Beispiel Caritas, Diakonisches Werk, Awo oder Bethel draufsteht, drinnen aber LWL-Geld steckt, da der Landschaftsverband als überörtlicher Sozialhilfeträger der Kostenträger ist.
Unter den höheren Kommunalverbänden – es gibt in der Bunderepublik Deutschland 18 insgesamt – ist der LWL nach dem rheinischen Schwesternverband LVR der größte.
In der Regel ahnt diese enorme Bedeutung des Verbands kein Mensch. Daher rufen meine eben angedeuteten Power Point Vorträge häufig großes Erstaunen hervor. Selbst Abgeordnete der Landschaftsversammlung haben häufig nur andeutungsweise eine Ahnung, bevor sie mit einem Mandat in der Landschaftsversammlung ausgestattet werden und das überblicken.
Das war bei mir ganz anders!
Und das hat viel mit meiner persönlichen Motivation und schließlich Erfüllung meines politischen Wirkens zu tun, die ich darin gefunden habe.
Von der Stadtteilarbeit zum Landschaftsverband !
Ich war der erste in meiner Familie und der einzige in meiner Volksschulklasse und meines gesamten damaligen Freundeskreises, der mit einem Realschulabschluss einen höheren Schulabschluss erreichte. Das klingt heute komisch, war aber damals unter meinen Kumpels fast ehrenrührig und ausgrenzend. Dass ich anschließend auf einem Aufbaugymnasium sogar Abitur machen konnte und ein Universitätsstudium absolvieren durfte, war eindeutig der damaligen Bildungspolitik zu verdanken, was mir jederzeit bewusst war.
Selbst wenn es kitschig klingen sollte:
Mein Entschluss, sich ab 1972 in der SPD politisch zu engagieren und sich insbesondere für bildungsferne Menschen einzusetzen und sich gegen Benachteiligungen von Menschen zu engagieren, war einzig und allein auf das von mir so empfundene Privileg des eigenen Bildungsweges zurück zu führen.
Die Vorgabe des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen!“ gab dazu den letzten Anstoß.
Folgerichtig suchte ich Gleichgesinnte, die ich auch in großer Zahl fand, die mit mir politisch etwas bewegen wollten. Und wir haben viel bewegt – ich kann und will gar nicht alle Aktivitäten nennen, sondern nur diejenigen, die mich damals bereits mit dem LWL in Berührung gebracht haben.
Sonst würden 20 Minuten auch nicht reichen…
(z.B. Vierteljährlich erscheinende eigene Stadtteilzeitung in haushaltsdeckender Auflage; Veranstaltung von 5 Folk-Rock-Festivals mit z.T. über 1.000 Besuchern)
Wie gesagt: Selbst Abgeordnete der Landschaftsversammlung haben vor ihrem Mandat oft keine Ahnung, was der Landschaftsverband für eine enorme Bedeutung hat. - Das war bei mir ganz anders!
Ich beleuchte daher einige Arbeitsfelder aus meinem Stadtteil, die einen Bezug zum LWL haben.
Eine von mir geleitete Arbeitsgemeinschaft von Jungsozialisten engagierte sich in einem Sozialen Brennpunkt mit weit über 100 kinderreichen Familien in meinem Stadtteil Gelsenkirchen-Erle. Wir leisteten Schularbeitshilfe, da uns störte, dass nahezu 100% der jungen Menschen innerhalb kurzer Zeit auf Sonderschulen landeten. Diese Schularbeitshilfen reichten natürlich nicht aus. Wir suchten erfolgreich das Gespräch mit den Lehrkräften in den abgebenden Grundschulen und den aufnehmenden Sonderschulen – so hießen sie damals, heute sagt man „Förderschulen“ – und arbeiteten mit ihnen Hand in Hand, um gezielt fördern zu können. Wir weiteten unsere Aktivitäten aus auf Spiel- und Lernangebote für Vorschulkinder, Sportgruppen für Jugendliche, Bildungs- und Freizeitangebote für die Eltern der von uns betreuten Kinder und Jugendliche.
Ich hatte im Laufe der Jahre bis zu fünfzig engagierte junge Menschen gleichzeitig, die mit mir tag-täglich diese Arbeit leisteten – Schüler, Studenten und junge Auszubildende, die nichts anderes wollten, als ehrenamtlich Benachteiligten zu helfen. Etliche studierten pädagogische Fächer oder Sozialarbeit, konnten daher fachlich praktische Erfahrungen sammeln und oft genug darüber ihre Examensarbeiten schreiben. Profitiert haben wir letztlich alle von den Erfahrungen.
Ich selbst bin ja schließlich auch Lehrer geworden. Aber das ist eine andere Geschichte …
Wir haben viel Unterstützung erfahren. Die Zusammenarbeit mit den Schulen habe ich erwähnt. Die Stadt Gelsenkirchen hat uns kostenlos Räume in der Siedlung und ein Budget zum Bezahlen der Sachkosten zur Verfügung gestellt. Mit dem Bildungsträger aktuelles forum konnten wir Seminarangebote für unsere eigene Weiterbildung und die politische Bildung der von Obdachlosigkeit betroffenen Erwachsenen machen. Der Rat der Stadt hat einen Obdachlosenbeirat des Sozialausschusses gegründet, in dem Bewohner unserer Siedlung ihre Interessen vertreten konnten.
Im Ergebnis haben wir es nicht nur geschafft, dass im Laufe der 14 Arbeitsgemeinschaftsjahre der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit einem Schulabschluss gesteigert werden konnte, sondern – was immer unser erklärtes Hauptziel gewesen war – nahezu alle Familien haben Mietverträge in anderen Siedlungen bekommen – insbesondere bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGW – und der Soziale Brennpunkt konnte abgerissen werden.
Ich war inzwischen Mitglied des Rates der Stadt Gelsenkirchen geworden und konnte den Prozess so auch politisch anschieben. Als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses (1980 – 1999) habe ich die wichtige Rolle des LWL als Jugendhilfeträger, Sozialhilfeträger und Träger von Sonderschulen natürlich einzuschätzen gelernt.
Meine Heimatstadt Gelsenkirchen – heute ca. 260.000 Einwohner – stand in den 1960-er Jahre – vor dem großen Zechensterben – bei 388.000 Einwohnern und der 400.000-ste schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Zur Verbesserung der Infrastruktur und Steigerung der Mobilität war die Planung einer Nord-Süd-Autobahn in der Planung. In meinem Stadtteil war eine Abfahrt vorgesehen und alles sah danach aus, dass die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Arbeitersiedlung Schievenfeld mit rund 400 Wohneinheiten daran glauben sollte, um hier eine Verdichtung mit Hochhäusern zu realisieren – nach dem Vorbild der im Gelsenkirchener Süden gebauten Siedlung Tossehof, die bezeichnenderweise inzwischen um mehrere Etagen zurückgebaut worden ist, da die Wohnungen nicht mehr vermietbar waren und die Siedlung sich zu einem Sozialen Brennpunkt zu entwickeln drohte.
Mit der zurück gehenden Bevölkerungszahl und dem Widerstand aus der Bürgerschaft, die sich gegen das Anknabbern von Waldflächen im Gelsenkirchener Norden wehrten, verabschiedete sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der seinerzeit noch die Zuständigkeit für den Autobahnbau in Westfalen hatte, Mitte der 1970-er Jahre von der geplanten Nord-Süd-Autobahn endgültig.
Allerdings war die Siedlung inzwischen in einem erbarmungswürdigen Zustand: Die Straßen – sogenannte Privatstraßen der Zechengesellschaft, der die Siedlung gehörte – und Bürgersteige waren kaputt und übersät mit Löwenzahn und anderen Wildkräutern, die Hinterhöfe unbefestigt und bei Regenwetter knöcheltief matschig, die Bausubstanz dringend sanierungsbedürftig.
Die Zechengesellschaft dachte nicht im Traum daran, das zu ändern und machte geltend, dass ihr für diese Investitionen das Geld fehle und die - tatsächlich eher „symbolisch“ zu nennenden - Mieteinnahmen der ehemaligen Werkswohnungen das nicht hergäben.
Ich wohnte zwar in unmittelbarer Nachbarschaft, aber nicht in der Siedlung selbst. Daher habe ich als Sprecher eines Mieterrates aus jeder der 5 Straßen der Siedlung eine Vertrauensperson von Mieterversammlungen an meine Seite wählen lassen (Schievenstraße, Steigerstraße, Alleestraße, Middelicher Straße, Wetterweg) und mit ungeteilter Unterstützung durch den damaligen Oberbürgermeister Werner Kuhlmann eine Bürgerinitiative zur Rettung der Siedlung angeführt. Wir haben die Verabschiedung einer Gestaltungs- und Erhaltungssatzung für die Siedlung erreichen können. Die wirksam unterstützende Rolle des Denkmalschutzes beim LWL war hier und auch zu einem späteren Zeitpunkt sehr hilfreich.
Mit dem Bau der Siedlung für die Zeche Graf Bismarck in Erle war 1912 begonnen worden. Sie griff Motive süddeutscher Städtebilder auf. Besonders auffällig ist bis heute das Stadttor an der Ecke Schievenstraße/Alleestraße. Meine damalige Freundin – heutige Ehefrau HeikeGebhard, inzwischen Mitglied des Landtages NRW und nach wie vor stärkste Verbündete an meiner Seite - traf seinerzeit als Juso-Landesvorsitzende in Düsseldorf gelegentlich den NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel. Der ließ sich von ihr einladen, nach Gelsenkirchen zu kommen und sich das anzusehen.
Christoph Zöpel zeigte sich von der Siedlung und der Chance einer Sanierung beeindruckt. Er ermöglichte die Sanierung aus Mitteln des Ruhrbaupro-gramms. Der Eigenanteil der Eigentümerin (Langenbrahm AG) wurde durch den Verkauf von 70 Wohneinheiten am Wetterweg an kaufwillige Mieter aufgebracht. Wiederum mit tatkräftiger Unterstützung der Denkmalpflegebeim LWL entstand so ein Schmuckstück an Siedlung, die sogar auswärtige Besucher anlockte und bestaunt wurde.
Durch Wohnungsbautätigkeit in meinem Stadtteil sind Hobbygärtner von Ihrem Grabeland vertrieben worden, was sie mit Duldung der Stadt jahrzehntelang bewirtschafteten. Einen Ersatz dafür gab es nicht. Um das Ziel erreichen zu können, eine Dauerkleingartenanlage in der Nähe errichten zu können, bot sich das landwirtschaftlich genutzte Gelände an, das vom LWL für den Bau der Nord-Süd-Autobahn inzwischen nicht mehr benötigt wurde. Die Stadt tat sich allerdings schwer, für den neuen Zweck das Grundstück zu erwerben, den Kleingärtnern zur Verfügung zu stellen und die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Dauerkleingartenanlage zu schaffen.
Durch die von mir initiierte Gründung eines eingetragenen Kleingärtnervereins und die Auswahl und alleinige Aufnahme von Mitgliedern unter der Bedingung, dass sie bereit waren, die Erschließung des Grundstücks und den Aufbau der gesamten Infrastruktur einschließlich eines Vereinsheims mit „selbst organisierten“ Maschinen und eigener Muskelkraft zu bewerkstelligen, ließ sich die Stadt auf das „Erler Modell“ ein.
Baggerführer hatten gute Karten, Elektriker, Maurer, technische Zeichner … wir hatten alles!
Die Anlage gehörte nach der Fertigstellung zu den schönsten in Gelsenkirchen, wurde bundesweit beachtet und heimste sogar Preise ein. Sie bildet eine reizvolle Ergänzung des Buerschen Grüngürtels und dient nicht nur den über 70 Gartenbesitzern sondern auch vielen Spaziergängern als Erholungsstätte.
Noch einmal zur Wichtigkeit des LWL:
Dem Stadtteil Erle fehlte seit eh und je eine Begegnungsstätte. Der Bebauungsplan eines für den Wohnungsbau erschlossenen ehemaligen Zechengeländes An der Gräfte wies eine Gemeinbedarfsfläche aus, die für eine derartige Einrichtung in Frage kommen konnte. Den Wunsch vieler Jugendlicher nach einem Haus der Offenen Tür habe ich in einer Jugendheim-Initiative aufgegriffen.
Das Pech der jungen Menschen im benachbarten Stadtteil Buer-Mitte, in dem eine „Offene Tür“ – die sog. Pappschachtel – abgebrannt war und trotz intensiver Suche und Prüfung von Standortalternativen in Buer-Mitte keine Anschlusslösung zur Verwendung der Versicherungssumme zwecks Neubau gefunden wurde, stimmte das Landesjugendamt Westfalen-Lippe beim LWL der Verlagerung der Mittel mit der Anerkennung des Standorts Erle zu.
Das so entstandene Kommunikationszentrum Erich Kästner-Haus wird intensiv von Bevölkerungsgruppen aller Altersstufen und vieler Erler Vereine genutzt und ist aus dem Stadtteil nicht mehr weg zu denken.
Besonders stolz bin ich auf einen politischen Erfolg, der mich viel Mühe gekostet hat, die vom LWL getragene Straßenneubauverwaltung dafür zu gewinnen.
Seit dem Bau der Autobahn zerschnitt die A2 den Ortsteil Erle in zwei Teile, die durch drei Brücken verbunden waren. Im Zuge des geplanten Ausbaus der A2 auf sechs Fahrstreifen habe ich angeregt, den damit eingehenden Lärmschutz nicht durch die vorgesehenen Lärmschutzwände sicher zu stellen. Statt dessen sollte die Tieflage der Fahrbahn dazu genutzt werden, durch einen „Deckel“ zwischen den Brücken eine Tunnellösung anzustreben, die nicht nur optimalen Lärmschutz für die bis dahin arg strapazierten Anwohner mit sich brächte, sondern den zerschnittenen Stadtteil wieder vereinigt und die zu begrünende Lücke für Spaziergänger und Radfahrer zwischen der Parkanlage um Schloss Berge im Westen und den Grünanlagen am Golfplatz Haus Leithe und der Resser Mark im Osten schließt. Dem Hinweis auf umständliche Planungs-änderungen und Mehrkosten konnte ich mit einer Bürgerinitiative begegnen, die mit einer Unterschriftensammlung und der Ankündigung von Klagen im Zuge des Verfahrens der Idee zur Realisierung verhalf. Hintergrund: Die Fußball-Weltmeisterschaften im Parkstadion Gelsenkirchen standen vor der Tür und jede Verzögerung des sechsstreifigen Ausbaus der A2 als Hauptzubringer zum Parkstadion musste verhindert werden. - So läuft das manchmal …
Nach der Fertigstellung ist der Landesbetrieb „straßen.nrw“ heute mindestens genau so zufrieden mit der Lösung wie die Anwohner an der Autobahn.
Der LWL hat inzwischen bekanntlich die Zuständigkeit für den Straßenbau verloren.
Den LWL habe ich immer als wichtigen Player erfahren. Ich denke, das wurde deutlich.
So auch in folgendem Fall:
Als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses in Gelsenkirchen (1980 – 1999) und Erfahrungen mit örtlichen Problemen der Erziehungshilfe, dem Adoptionswesen, der Jugendheimförderung, der Heimaufsicht usw. war es mein Ziel, zum Beginn meines LWL-Mandates im Landesjugendhilfeausschuss mitarbeiten zu dürfen. Das gelang – später war ich auch Vorsitzender des LJHA (1994 – 1999).
Ein bahnbrechendes Vorhaben war die von uns 1988 eingeführte gemeinsame Betreuung von Kindern mit Behinderungen in Regeleinrichtungen. Das geschah schließlich zu einem Zeitpunkt, als der Begriff Inklusion in diesem Zusammenhang noch gar nicht erfunden war.
Sogar die von uns angestrebte gemeinsame Betreuung traf häufig noch auf massive Skepsis von Eltern, die Benachteiligungen für ihren Nachwuchs befürchteten.
In dem Evangelischen Kindergarten meiner Kinder in der Breite Straße in Gelsenkirchen-Erle wurde das Modell desLWL sehr erfolgreich praktiziert , was zu etlichen auswärtigen Besuchergruppen führte, die sich vom Erfolg für alle Kinder der Tagesstätte überzeugen ließen.
Abschießend noch einige Beispiele, die für mich ebenfalls den Wert des Engagements beim LWL beschreiben und zeigen, dass es sich lohnt, sich dort einzubringen bzw. eingebracht zu haben.
Es handelt sich heute um moderne Krankenhäuser. Psychische und geistige Behinderungen taugen nicht mehr zum Schimpfwort. Die Bettensäle von früher gibt es nicht mehr. Mit großem Ehrgeiz bemüht sich der LWL um ambulante Lösungen und die Inklusion.
Das gelingt und wird anerkannt!
Als die letzte Diskussion über eine mögliche Abschaffung der Landschaftsverbände stattfand, haben sich Eltern unserer Förderschulen in besonderer Weise als Befürworter des LWL auf unsere Seite gestellt und damit ihre Wertschätzung zum Ausdruck gebracht.
Dazu einige beeindruckende Zahlen:
In rund 37.00 Fällen werden Hilfen zur Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen geleistet. Rund 1.300 Menschen mit Behinderungen wurde der Weg in den 1. Arbeitsmarkt ermöglicht. 25.000 Betriebe mit rund 96.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderungen sind dabei, mit der Hilfe des LWL Arbeitsplätze inklusiv zu gestalten. Behinderungsbedingter finanzieller Mehraufwand wird vom LWL getragen.
Von den LWL-Hilfen zum Wohnen profitieren 31.000 Menschen, denen ein selbständiges Wohnen in eigenen 4 Wänden ermöglicht wird.
In einer besonderen Wohnform (früher: Wohnheime) leben 22.000 Menschen in Westfalen-Lippe, die der LWL unterstützt.
Inklusion, weiteres Beispiel ..
Früher galten insbesondere Schlösser, Kirchen, Klöster als die Zeugnisse kultureller Errungenschaften, die zweifelsfrei der Nachwelt erhalten werden mussten. Geschichte wurde hauptsächlich aus dem Blickwinkel vermeintlich großer Persönlichkeiten geschrieben, Kaiser, Könige, Eroberer, herausragende Entdecker, die häufig aber auch herausragende Schlächter auf fremden Kontinenten waren …
Das sieht heute größtenteils anders aus.
Der LWL stellt im Römermuseum in Haltern den Alltag des einfachen Legionärs dar, nicht nur die Sicht der Cäsaren und Feldherren.
Wir schätzen nicht nur kirchliche und aristokratische Zeugnisse der Vergangenheit, wir erhalten auch Zeugnisse unserer Industriegeschichte und stellen in Zeitzeugenberichten, Video-, Foto- und Textdokumentationen den Arbeitsalltag und die Wohnsituation auf den Kohlenzechen, den Eisenhütten, den Ziegeleien, Webereien, der Binnenschifffahrt und der Glasherstellung im Westfälischen Industriemuseum dar; den damaligen Arbeitsalltag der Landbevölkerung im Freilichtmuseum Detmold; den Alltag des kleinen Handwerkers in vorindustrieller Zeit im Freilichtmuseum Hagen.
Das ist alles nicht vom Himmel gefallen sondern politisch gewollte und umgesetzte Neuorientierung.
In meiner Jugend hieß die Forderung noch „Geschichte von unten“ zu schreiben.
Der LWL tut das inzwischen.
Der Begriff „Industriekultur“, der jetzt in aller Munde ist und mit der Zeche Zollverein in Essen ein stattliches Zeugnis als Welterbe hat, ist von einem LWL-Mitarbeiter (Helmut Bönninghaus), einem frühen Streiter für den musealen Erhalt unserer Industriegeschichte, erfunden worden.
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Zu meiner Laufbahn in der Fraktion und als Vorsitzender der Landschaftsversammlung habe ich viel gesagt. Es ist eine sehr schöne Aufgabe, die ich gern wahrnehme, die Landschaftsversammlung und den Verband LWL inzwischen auch nach außen repräsentieren zu dürfen.
Die – mit Verlaub – schönste Zeit hatte ich allerdings als SPD-Fraktionsvorsitzender zu der Zeit, als mit Roland Trottenburg ein Bottroper Kollege Vorsitzender der CDU-Fraktion war, mit der wir eine enge Kooperation vereinbart hatten.
Wir waren bei allen politischen Unterschieden Kumpel, sprachen die gleiche Sprache, die von gegenseitiger Wertschätzung und der Bereitschaft zu Zugeständnissen – auf beiden Seiten - weit über das normal Erwartbare hinaus geprägt war.
Das hat bei allen Belastungen Spaß gemacht.
Denn:
Die Abgeordneten beim LWL sind in der Regel erfahrene Kommunalpolitiker, die auch in ihren Heimatkommunen eingespannt sind.
Die Gremien der Räte und Kreistage tagen in der Regel nachmittags oder abends, die der Landschaftsversammlung vormittags. Wegen der Größe des Verbandsgebietes von Bocholt bis Höxter und von Minden bis Siegen sind die Anfahrtswege zu den Tagungsorten zum Teil sehr zeitaufwändig.
Diese Ehrenämter mit beruflichen Pflichten, Familie und einem gesunden Verhältnis an Freizeitgestaltung über die Politik hinaus in Einklang zu bringen, ist nicht immer einfach. Auf diesem Hintergrund ist ein faires Verhältnis der Fraktionen untereinander hilfreich, um den Spaß nicht zu verlieren.
Im Großen und Ganzen funktioniert das beim LWL auch über alle Fraktionsgrenzen hinweg ganz gut, weil die Arbeit des LWL – da mache ich mir nichts vor –eben nicht so im Fokus der Öffentlichkeit und nicht unter der ständigen Beobachtung einer Ortspresse steht, was verstärkt zu politischen Profilierungsversuchen führen würde.
Die logische Konsequenz ist in den Gremien der Landschaftsversammlung der weitgehende Verzicht auf opportunistische Scheingefechte, Opposition um der Opposition willen, Besserwisserei, Trickserei, usw. – im Interesse der Sache.
Damit schließe ich meinen Vortrag.
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass es Freude macht, Teil des politischen Wirkens in seiner Kommune und beim Kommunalverband LWL zu sein und zu wissen, was alles möglich ist und dass es wichtig ist, sich an dieser Stelle zu engagieren und die Welt ein wenig besser zu machen.
Wo immer ich kann, versuche ich das zu vermitteln.
Insbesondere jungen Leuten muss man sagen:
Man muss sich nicht darauf beschränken, am Computer virtuelle Welten zu bauen.
Es gibt in unserer analogen Welt noch genug zu tun.
DANKE fürs Zuhören.